Mit Liedern über toxische Männlichkeit, eine Welt im Taumel und einigen der
strahlendsten Melodien ihrer bisherigen Karriere hat sich Il Civetto noch einmal
gänzlich neu erfunden. Mit Gästen wie Frank Dellé (Seeed) entstand so »Liebe
auf Eis«, das wunderbar berauschende neue Il-Civetto-Album, das zugleich das
bislang persönlichste und eindringlichste der Berliner Pop-Band ist.
Wenn Il Civetto kommen, geht die Sonne auf. Kein Witz, das ist einfach so. »Wir
können uns das auch nicht erklären«, sagt Leon Keiditsch, »aber in diesem Jahr
ist das immer wieder passiert: dass es aufhört zu regnen, sobald wir bei einem
Festival auf die Bühne gehen. Vorher Regen, nachher Regen, bei unserem Auftritt
scheint die Sonne. Es ist ein bisschen unheimlich.«
Keiditsch ist Sänger der Berliner Popgruppe Il Civetto, die tatsächlich eine ganz
spezielle Gabe hat: Wenn die Nacht am tiefsten erscheint, kennen Il Civetto den
Lichtschalter. Das gilt nicht nur für ihre Konzerte, sondern generell für die Musik
dieser Band – und erst recht für ihr neues Album: »Liebe auf Eis« verbindet Licht
mit Schatten, den Vibe einer lauen Sommernacht mit dem Kater danach.
»Liebe auf Eis« ist insofern der Pop einer Generation, die von den Älteren um ihre
Zukunft betrogen worden ist, diese aber nicht kampflos hergeben mag. Es geht
um Liebe, Hoffnung, Solidarität – und um strahlende Melodien, die einfach
glücklich machen. »Klingt für mich ein bisschen nach Klimaporno«, hat Il-Civetto-Fan Luisa Neubauer in einem gemeinsamen Interview gesagt, als
Keiditsch ihr seine Gedanken zu »Liebe auf Eis« erklärt hat. Und ja, theoretisch
wäre bei Il Civetto sogar das vorstellbar.
Das Fundament dieser Gruppe war schließlich von Anfang an ihre enorme
Offenheit und musikalische Vielseitigkeit. Lars Löffler-Oppermann (Saxofon,
Klarinette), Leon Bollinger (Schlagzeug & Percussion) und Keiditsch kannten sich
aus der Schule und schmissen bei der Gründung von Il Civetto ihre diversen
Einflüsse zusammen: die Manu-Chao- und Desert-Blues-Prägung von Bollinger
mit dem Klezmer und den Balkan Beats des studierten Klarinettisten Löffler-
Oppermann und den klassischen Gesangs-Skills von Keiditsch, der als Kind als
Operntalent galt.
Mit Il Civetto haben die Freunde ab 2010 in der Berliner U-Bahn, in Techno-Clubs
und später auf Festivals überall auf der ganzen Welt gespielt. Die Band hatte
bereits zwei Alben veröffentlicht, als sich 2019 die jetzige Besetzung mit Dany
Ahmad (Bass) und dem Gitarristen Robert Kondorosi etabliert, in der sich Il
Civetto mit dem Album »Späti del Sol« (2022) als hybride Popband mit Haltung
und deutschen Texten neu erfunden haben.
Nun eben »Liebe auf Eis«. Erneut haben Il Civetto einen gewaltigen
künstlerischen Sprung gemacht. Nachdem Keiditsch im Spätsommer und Herbst
2022 Ideen, Skizzen, Fragmente zusammengetragen hatte, arbeiteten die fünf
Freunde die neuen Songs ab Januar 2023 in ihrem Berliner Studio aus.
Aufgenommen haben sie »Liebe auf Eis« dann erneut mit dem
Produzenten Ralf Christian Mayer (Clueso, Cro u.a.), der die Vision dieser Band
schon immer am besten verstanden hat. Während sie den ganzen Frühling und
Sommer immer wieder auf Tour waren, trafen sie sich zwischendurch mit Mayer
zu Sessions im Jazzanova- sowie den legendären Berliner Hansa Studios, in
denen bereits Teile von »Späti del Sol« entstanden waren.
»Beim letzten Mal sind wir dort noch voller Ehrfurcht angekommen, diesmal
haben wir den Raum regelrecht eingenommen und zu unserem Safe Space
gemacht«, sagt Keiditsch. Die Zuversicht war der Tatsache geschuldet, dass alle
Il-Civetto-Mitglieder die Produktion von. »Liebe auf Eis« als ihre bislang
intensivste erlebt haben: »Das war eine sehr inspirierende Zeit, in der wir auch
als Band noch mehr zusammengewachsen sind«, sagt Bollinger. »Robert und
Dany haben als Co-Producer intensiv mit Ralf gearbeitet, wir funktionieren
inzwischen blind zusammen.«
Das hört man: vor dem Hintergrund ihrer gewachsenen Freundschaft ist »Liebe
auf Eis« nicht zuletzt das bislang persönlichste Album der Band geworden.
Immer schon waren Il Civetto musikalisch facettenreich, aufregend, mitreißend.
Nun legen sie ihr Herz auf den Tisch, das macht diese Musik noch intensiver.
»Alles was ich hab« ist etwa ein flirrendes Duett mit Frank Dellé von Seeed,
einem Freund der Band: ein hüpfend-euphorischer Road-Song, in dem es darum
geht, den Moment zu schätzen.
»Songs werden immer nur dann richtig geil, wenn man wirklich ein Stück Seele in
den Text einfließen lässt«, sagt Leon, der sich auf »Liebe aus Eis« öffnet wie nie
zuvor. Das gilt für Songs wie »Boys Do Cry«, in dem Leon gemeinsam mit dem
Berliner Musiker Trille als Feature-Gast sein Unbehagen beschreibt, als männlich
gelesenes Kind in eine traditionelle Mackerrolle hineinzuwachsen. Es geht um
James Bond, 50 Cent, Rambo III – und mittendrin der 15-jährige Leon Keiditsch.
»Als cool galten sämtliche Formen von toxischer Männlichkeit«, erinnert er sich.
»Mich davon zu emanzipieren, war nicht leicht.«
Der Song rekurriert clever auf The Cures »Boys Don’t Cry« und die Art, wie
Robert Kondorosis Gitarre im Refrain die markante Melodie des Originals zitiert,
kündet von der musikalischen Meisterschaft dieser Band. Alles auf diesem
Album ist wahnsinnig dicht und catchy auf den Punkt gespielt und produziert.
Die Rock-Gitarren in der dritten Single, »Nie wieder Winter« (featuring MoLa), der
elektrisierende Global-Pop von »Blue Hour«, diesatten Bläsersätze und
vielstimmigen Gitarren zwischen Rock, Latin, Indie – alles greift ineinander und
ist derart zwingend, dass man den Dancefloor nie wieder verlassen möchte.
Die Musik ist durchgehend rauschhaft, mitreißend, euphorisch, die Texte sind es
nicht immer. Weil Il Civetto sagen, was gesagt werden muss: Ein weiterer explizit
autobiografischer Song ist das introspektive »Fragen«, in dem es um Abschied
und Verlust geht und darum, wie die Narben der Kindheit uns für immer prägen.
Diese Facetten des Daseins kamen im Gefühlsspektrum dieser Musik bislang
nicht vor, nun machen sie »Liebe auf Eis« zum bislang intensivsten Il-Civetto-
Album. Das gilt – auf andere Weise – auch für »Hollywood-Ende« und den
gewaltigen Hymnus »Regen in Rom und Paris«, ein Liebeslied im Angesicht der
Klimakatastrophe.
»Wir leben in einer Zeit, in der die Welt zunehmend in die falsche Richtung zu
steuern scheint«, sagt Leon Keiditsch. »Aber auch wenn es noch so
hoffnungslos erscheinen mag, sollen Songs wie ›Zukunft im Wind‹ motivieren,
dennoch auf die Straße zu gehen und für eine bessere Zukunft zu kämpfen.« Il
Civetto wissen natürlich: Aus dem Dreck ziehen können wir den Karren nur
selbst, auf dieser düsterdunkelwunderschönen, taumelnden Erde.
»Liebe auf Eis« ist der Soundtrack zum Tanz auf dem Vulkan, am Rand des
Kraters – und den bringt die Band bald wieder auf die Bühnen: Die größte Tour
der bisherigen Il-Civetto-Geschichte steht an. Das Licht wird an diesen Abenden
stärker sein als der Schatten. Die Sonne wird strahlen, es wird jede Menge Liebe
im Raum sein.
Einlass: 19:00 Uhr | Beginn: 20:00
Tickets gibt’s online sowie ab dem 08.04. // 10:00 Uhr an allen bekannten VVK-
Stellen.