Peter Weiss und Hölderlin
2020 wird der 250. Geburtstag des Dichters Friedrich Hölderlin begangen. 1970, zum 200. Geburtstag, befasste sich Peter Weiss bereits umfassend mit ihm.
Friedrich Hölderlin lebte von 1770 bis 1843. Bis heute gilt er als einer der wichtigsten Lyriker seiner Zeit. Sein Leben war gezeichnet von einer psychischen Krankheit, die bis heute nicht klar benannt werden kann. Mit 36 Jahren wird er in der Uniklinik Tübingen zwangsbehandelt und 1807 als unheilbar tituliert. Er kommt in der Familie von Ernst Zimmer unter, Tischler und Bewunderer Hölderlins, und lebt bis zu seinem Tod in einem kleinen Zimmer im Turm der Familie, welche ihn pflegt. Heute ist dieser Turm als „Hölderlinturm“ bekannt und erhalten.
Peter Weiss, der im Juni 1970, vermutlich aufgrund zermürbender Auseinandersetzungen vor dem Hintergrund seines Stückes „Trotzki im Exil“, einen Herzinfarkt erleidet, erinnert sich daran, dass er als Zwölfjähriger beim Besuch seiner Tante in Tübingen, den Hölderlinturm selbst täglich betrachtete.
Bei der Recherche zu Hölderlin wird er vor allem beeinflusst durch die Biographie von Pierre Bertaux, der Hölderlin „als revolutionären Dichter, der seinen Idealen trotz aller subjektiven Enttäuschungen und objektiven Widerstände treu blieb“ beschreibt. Peter Weiss sieht Parallelen zu seiner eigenen Situation und zieht daraus seine Motivation zum Schreiben über den Dichter.
Im Stück „Hölderlin“, welches 1971 in Stuttgart uraufgeführt und später als wichtigstes Stück der Spielzeit bezeichnet wird, verbindet Weiss in seiner typischen Art das Historische mit dem Aktuellem. Wie im Theaterstück Marat/Sade ist der Titelheld Hölderlin ein gescheiterter Revolutionär. Hölderlin, der trotz der Widerstände zu seinen Übersetzungen steht und in letzter Konsequenz im Rückzug im Turm endet, steht den Figuren Hegel und Fichte gegenüber, welche am Widerspruch zwischen Theorie und Praxis scheitern. Peter Weiss’ eigene Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen und politischen Hindernissen spiegelt sich im Stück wider.
Und die zentrale Frage des Stücks „Wie verhält sich ein Mensch, der sehr stark an seiner eigenen Zeit teilnimmt, gegenüber den gesellschaftlichen Veränderungen? Wie wird er fertig mit den Problemen, löst er sie oder zerbricht er daran?“ (Peter Weiss, Spiegel Interview 1971) scheint auch heute noch genauso aktuell wie zu Hölderlins und Weiss’ Lebzeiten.