Peter Weiss und die Bildende Kunst

Peter Weiss und die Bildende Kunst

Peter Weiss beginnt früh sich für das Malen und Zeichnen zu interessieren. In einer Kindheit, die vom Leben im Exil, dem Tod seiner Schwester und dem schwierigen Verhältnis zu seinen Eltern geprägt ist, findet er in der Kunst sowohl eine Zuflucht als auch eine Ausdrucksform. Als Jugendlicher besucht er die Berliner Museen und befasst sich mit verschiedenen Künsten und Künstler*innen. 1932 nimmt Weiss dann erstmals selbst Zeichenunterricht. Unterstützung erfährt er dafür in seiner Familie nicht, denn seine Eltern wünschen sich für ihren Sohn einen bürgerlichen Beruf. Seine Neugier muss er eigenständig stillen: Peter Weiss liest in dieser Zeit Thomas Mann, Hermann Hesse und Frank Wedekind, er kommt in Kontakt mit Berthold Brechts Werken und hört klassische Musik. Der deutsche Expressionismus fasziniert und prägt ihn. Emil Nolde, Paul Klee und Lyonel Feininger beeinflussen seine eigene Kunst und sein Kunstverständnis.

1934 stirbt Peter Weiss‘ zwölfjährige Schwester. Ein Unfalltod. Das Ereignis traumatisiert die Familie nachhaltig. Weiss selbst beschreibt das Ereignis später als „den Anfang von der Auflösung unserer Familie“. Für ihn löst es eine neue Produktivität im Malen aus, mit der er versucht den Verlust seiner geliebten Schwester zu verarbeiten.

Nachdem die Familie 1935 nach England emigriert, möchte Peter Weiss Kunst studieren, kann sich aber nicht gegen seine Eltern durchsetzen und arbeitet stattdessen im Kontor seines Vaters. Nur nachts bleibt ihm die Zeit zu malen. Mit der Zeit findet sich ein Kompromiss und Peter darf einen Kurs an der Street School of Photography besuchen. Es entsteht u.a. das eindrucksvolle Gemälde „Die Maschinen greifen die Menschen an“. An diesem Beispiel zeigt sich deutlich, welche einschneidenden Erlebnisse Peter Weiss umtreiben: die Errichtung einer faschistischen Diktatur, der Tod der Schwester und die Isolation. Weiss malt sich in diesem Bild selbst. Am rechten Bildrand sieht man ihn an einer Staffelei in einer Ruine stehen. Er scheint unberührt, unbeeindruckt von den apokalyptischen Szenen.

In London stellt Weiss mit Hilfe eines Freundes erstmalig seine Arbeiten aus. Besucher*innen kommen nicht, aber Weiss ist trotzdem fasziniert von der Erfahrung, seine Werke öffentlich zu präsentieren. 1937 schreibt er Hermann Hesse einen Brief, im Anhang Texten und Zeichnungen. Der „große Meister“ antwortet und attestiert Weiss, dass er in der Kunst bedeutend weiter sei als im Schreiben. Auf Empfehlung von Hermann Hesse nimmt Weiss Kontakt zu Willi Nowak, dem Leiter der deutschsprachigen Malklasse an der Prager Kunstakademie, auf. Da der Vater gegen das Studium in Prag ist, schreibt Nowak ihm einen Brief, in dem er Peter Weiss‘ Begabung und die nötige Förderung eben dieser betont und erreicht auf diesem Weg die Zustimmung der Eltern zum Studium. 1938 erhält Weiss Auszeichnungen für seine Arbeiten „Das große Welttheater“ und „Das Gartenkonzert“. Dennoch ist er auch an der Akademie ein Außenseiter. Seine Bilder sind altmeisterlich, düster, schwer und von Bosch, Dix und Brueghel beeinflusst; ganz im Gegensatz zu den modernen abstrakten, kubistischen und surrealistischen Arbeiten und Lehren an der Akademie.

Bevor die Familie 1938 nach Schweden umsiedeln muss, vernichtet Peter Weiss‘ Mutter – angeblich zum Schutz der Familie – einen Großteil seiner Arbeiten. Weiss Idealbild des Künstlers hält der Realität in Schweden nicht stand und zwingt ihn zur Arbeit in der neuen Fabrik des Vaters. Da ihm die Kunst zu „heilig und wertvoll“ ist, entscheidet er sich dagegen mit Illustrationen oder Auftragsarbeiten sein Geld zu verdienen.

Erst 1941 gelingt es ihm, eine Ausstellung in Stockholm zu verwirklichen. Doch auch von der Kritik wird sein Stil, der zu stark von der Kunstauffassung Schwedens zu der Zeit abweicht, nicht angenommen. Weiss passt sich immer mehr an, um aus seiner materiellen Notlage herauszukommen und Bilder verkaufen zu können. War seine Malerei bisher geprägt von statischer Bildkomposition, altmeisterlicher Lasurtechnik und epischen, vielfigurigen Szenerien, wirkt sie jetzt impulsiver und expressiver, die Bildkomposition ist dynamischer und die Farben kontrastreicher. Weiss‘ Menschenbild wird konkreter, vor allem in Hinblick auf soziale Bezüge. Weiss will nun Bilder „einfacher, direkter und gröber malen.“ Kleine Erfolge lassen sich verzeichnen, dennoch ist Weiss nicht zufrieden. Als er ab 1943 als Musterzeichener für seinen Vater arbeitet, beginnt er verstärkt monumentale Darstellungen von „einfachen“ Menschen herzustellen.

Als 1945 der Sieg über den Faschismus gefeiert wird, sieht Weiss erstmals Aufnahmen aus Auschwitz und erfährt ein Gefühl der Schuld. In Weiss‘ Werk zeigt sich ab diesem Zeitpunkt deutlich die Hinwendung zu gesellschaftlichen Themen. Er beginnt in der Malerei an seine Grenzen zu geraten. 1946 gibt er die Ölmalerei ganz auf und widmet sich stattdessen Federzeichnungen mit Deckfarben und der Temperamalerei. Er beginnt daran zu zweifeln, ob Malerei in der Lage ist, all das auszudrücken, was ihm am Herzen liegt.
Kurzzeitig scheinen filmische Arbeiten ihm die erhofften Freiheiten zu bieten, doch auch diese Ausdrucksform lässt Weiss nach kurzer Zeit hinter sich. Der Grund: seine Karriere als Schriftsteller.