Peter Weiss und die moderne Rezeption

Peter Weiss und die moderne Rezeption

 

Peter Weiss, der zu seiner Zeit gefeiert, diskutiert, zerrissen und gelobt wurde, droht heute in Vergessenheit zu geraten.

 

Weiss arbeitete als Künstler und Sozialist in seinen Werken mit historischen Stoffen, die er in einer Weise aufarbeitete, die Bezüge zur Gegenwart herstellte und in der Tradition Brechts, die Rezipient*innen zum eigenen Reflektieren und Handeln bewegen sollte.

Weiss bekannteste Werke sind wohl das Theaterstück „Marat/Sade“ und der Jahrhundertroman „Die Ästhetik des Widerstands“.

In den Jahren nach Peter Weiss’ Tod (er stirbt 1982) entstehen in Deutschland zahlreiche Lesekreise zur „Ästhetik des Widerstands“. Das 3-bändige Werk erscheint in Ost- und Westdeutschland und passt zum intellektuellen Diskurs der Zeit. „Die Ästhetik des Widerstands“ berührt Intellektuelle und Arbeiter*innen. Der Roman bietet ein politisches Narrativ, das dem der Neuen Linken im Umkreis der Studentenbewegungen, nahezu identisch ist. Zudem bietet das Werk Grundlagen für Selbstreflektion und Selbstkritik bei den Lesenden und trifft auch hiermit den Nerv der Bewegung. 1989 finden die Peter-Weiss-Tage statt, aus denen sich die Internationale Peter-Weiss-Gesellschaft gründet, die seitdem immer wieder Tagungen und Veröffentlichungen zu Peter Weiss herausbringen (jährlich die „Notizblätter“ und das „Peter Weiss Jahrbuch“).  In den 90er Jahren verschiebt sich der Schwerpunkt der Peter Weiss Rezeption vor allem in den wissenschaftlichen Bereich und es erscheinen zahlreiche Dissertationen zur „Ästhetik des Widerstands“ und Arbeiten, die das Gesamtwerk und Leben von Peter Weiss darstellen. Zur Jahrtausendwende nimmt das Interesse an Peter Weiss deutlich ab. Die Generation, die sich in den 80er Jahren und 90er Jahren mit Peter Weiss befasste, scheint nun gesättigt.

Im Laufe der 2000er Jahre erscheinen vereinzelt Hörbücher (2007 wird die Hörspielfassung von „Ästhetik des Widerstands“ zum besten Hörbuch des Jahres gewählt) und Neuauflagen. 2016 zum 100. Geburtstag Peter Weiss erscheinen zahlreiche neue Werke zu Peter Weiss sowie Erstveröffentlichungen des Autors. Zahlreiche Veranstaltungen (unter anderem die Staffettenlesung im Peter-Weiss-Haus) und entsprechende Presseberichte begleiten das Jubiläum. Danach wird es wieder still um Peter Weiss. Dennoch bleibt ein kleiner Kreis von Kenner*innen, Liebhaber*innen und Enthusiast*innen, welche sich stetig weiter um den Erhalt des Werks Peter Weiss kümmern und in seinem Sinne veranstalten. So wird in der Stadt Bochum jährlich der Peter-Weiss-Preis vergeben. Die International Peter-Weiss-Gesellschaft gibt immer noch das Peter Weiss Jahrbuch heraus, das Peter-Weiss-Haus begeht einmal im Jahr die Peter-Weiss-Woche. Immer wieder werden vereinzelt auch seine Stücke aufgeführt. 2011 erscheint ein Konzeptalbum der Band „Rome“, welches von Peter Weiss inspiriert ist und auch das 2018 erschienen Album „To Drink From The Night Itself“ der schwedischen Metal Band „At the Gates“ ist unter dem Einfluss des Eindrucks der „Ästhetik des Widerstands“, entstanden. Und auch eine Neuauflage des zweiten Bands der Ästhetik des Widerstands erschien 2020 auf Englisch.

 

Wer sich zudem dafür interessiert, was zahlreiche Lesende der Staffettenlesung zur Peter Weiss denken, findet die Video Statements unter: peterweiss100.de. Zur heutigen Bedeutung ist vor allem dieser Teil interessant: peterweiss100.de/2016/04/video-statements-frage-3/.

Und möglicherweise sollte jede/r von uns selbst entdecken, ob das Leben und Wirken von Peter Weiss als Anstoss zu Wahrheitssuche, Selbstreflektion und -kritik des eigenen politischen, künstlerischen und gesellschaftlichen Handelns und Wirken verstanden werden kann.